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Die Erkenntnisschritte eines psychiatrischen Gutachtens

1. Die Tatsachenebene

Die Grundlage des Gutachtens sind die Befunde und die Anamnese.
Der psychische Befund sollte nicht nur die Normabweichungen, sondern auch die Normalbefunde enthalten.
Die Anamnese (Vorgeschichte) sollte besonders den Beginn einer Symptomatik und die auslösende Situation beachten.
Probleme der Befundebene:
Ob ein psychischer Befund von der Norm abweicht oder noch innerhalb des Normbereiches liegt, ist besonders in der Psychiatrie von der Einstellung des Untersuchers abhängig.
Einige psychische Symptome sind nicht objektivierbar (z.B. Angstgefühle, Wahrnehmungsstörungen), so dass der Untersucher sich auf die Angaben des Untersuchten verlassen muss. Das Untersuchungsergebnis hängt im Gegensatz zu Labor- oder Röntgenuntersuchungen vom gegenseitigen Vertrauen ab.
Der Befund am Untersuchungstag spielt oft eine untergeordnete Rolle. Bei Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit ist der Befund zum Tatzeitpunkt entscheidend. Bei Prognosegutachten ist die zukünftige Symptomatik zu beurteilen.
Probleme bei der Anamneseerhebung:
Der Untersuchte kann wichtige Ereignisse der Vergangenheit vergessen oder verdrängt haben (oft gerade sein mit Strafe bedrohtes Fehlverhalten).
Der Untersuchte kann seine Erlebnisse anders beurteilen als der Untersucher und Ereignisse als unwichtig betrachten, die für den Untersucher wichtig sind. Die spontanen Angaben des Untersuchten müssen daher durch gezielte Nachfragen ergänzt werden. Dies kann als suggestives Fragen missverstanden werden.

2. Die Interpretationsebene

Die Diagnose des Arztes ist erkenntnistheoretisch immer eine Hypothese. Deshalb ist sie für die Begutachtung von untergeordneter Bedeutung. Meinungsdifferenzen über die Diagnose sind meist akademischer Natur und sollten nicht überbewertet werden. Entscheidend ist die Frage, ob die streitenden Fachleute von den gleichen Befunden ausgehen und welche Bedeutung diese Befunde haben. Die Diagnose ist für den behandelnden Arzt wichtig, der danach seine Therapiemaßnahmen einleitet. In der strafrechtlichen Begutachtung ist sie lediglich von Interesse für die Zuordnung zu den Eingangsmerkmalen der §§ 20, 21 StGB, § 455 StPO u.a. Gesetze.

3. Die Zuordnung zu juristischen Begriffen

Der Gutachter sollte möglichst die Verwendung juristischer Begriffe - Schuldfähigkeit, Verhandlungsfähigkeit, Haftfähigkeit, Erwerbsfähigkeit - vermeiden. Er hat lediglich die Aufgabe, seine Diagnose einem sogenannten Eingangsbegriff des Rechts - krankhafte seelische Störung, schwere andere seelische Abartigkeit, tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Geisteskrankheit, Schwäche der geistigen Kräfte, Sucht, Hang usw. - zuzuordnen und die Auswirkungen der Symptome auf konkrete Fähigkeiten zu beschreiben, nämlich die Einsichtsfähigkeit, Steuerungsfähigkeit, die Fähigkeit, einem Verhandlungverlauf zu folgen, die Fähigkeit, regelmäßig einer gewinnbringenden Tätigkeit nachzugehen, oder die Auswirkungen besonderer Belastungssituationen auf den Krankheitsverlauf zu beschreiben (Haft, Hauptverhandlung).

4. Die Beantwortung der Fragestellung

Am Ende des Gutachtens sollte(n) natürlich die Gutachtenfrage(n) beantwortet werden. Die Beantwortung der Fragestellung bereitet dann Probleme, wenn die Fragen falsch gestellt werden. Der Auftraggeber sollte in seiner Fragestellung nämlich nicht die Fragen stellen, die er als Jurist selbst zu beantworten hat. Es ist eine nicht seltene Unsitte, dass der Sachverständige nach der Schuldfähigkeit (oder der Haftfähigkeit) gefragt wird, statt ihn zu fragen, ob krankheitsbedingt die Einsichts und/oder die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Nicht nur unerfahrene Gutachter lassen sich dazu verleiten, die falsch gestellte Frage auch zu beantworten und sich damit auf juristisches Gebiet zu begeben. Gegen eine Fragestellung, die dem medizinischen Sachverständigen die Beantwortung juristischer Fragen nahelegt, sollte der Rechtsbeistand eines Klienten opponieren. Damit hilft er dem Gutachter und der Sache.

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